Angst ist ein schlechter Berater, das wissen wir aus allen möglichen Lebenslagen.
In den letzten Wochen wurden wir durch eine Flut von Detailinformationen, ja einen Tsunami an Zahlen über R-Werte, Infizierte, Tote, kritische Fälle, Genesene, Kurzarbeiterzahlen, Arbeitslosenzahlen, eingeflogene Masken und Schutzkleidung, aber auch eingeflogene Erntehelfer und die immer wieder nach oben aktualisierten Prognosen des antizipierten wirtschaftlichen Einbruchs sowie die notwendigen Mittel zur Abmilderung derselben in immer schwindelerregendere Milliardenhöhen bombardiert. In dieser Situation des medialen und politischen Bombardements der vergangenen Wochen war es einigermaßen schwierig, einen klaren Kopf zu behalten.
Allmählich lichtet sich das Chaos und ein Gefühl des Aufwachens macht sich breit. Fast ist es, als wären wir alle in einer Trance gewesen. Aus der Konfliktbearbeitung kennt man den Zustand der „Konfliktverblödung“ – wenn nahezu alle Gedanken sich um den Konflikt und den Streitpartner drehen und der normalerweise mögliche Zugriff auf andere Ressourcen im Gehirn dadurch sehr beschränkt wird. Die Corona-Zeit hat uns gesellschaftlich in eine Art „Angstverblödung“ katapultiert und es wird Zeit, dass wir daraus wieder aufwachen.
Corona war (ist) ein globales Experiment, an dem wir alle teilnehmen – ungefragt und ohne Information über mögliche Nebenwirkungen. Ein solches Experiment-Setting hätte sich niemand ausdenken können; und auch wohl niemand umsetzen. Es hat sich gezeigt, dass die meisten von uns sehr vernünftig mit der Krise umgehen konnten. Wir Bürgerinnen und Bürger haben uns als gute Partner erwiesen! Eine Politik, die auf Gehorsamkeit durch Angst setzt, erweist sich als unnötig, ja als gefährlich. Denn wer aus der Angstverblödung erwacht und sieht, dass die Angst dazu diente, sie/ihn zu manipulieren, ist das nächste Mal weniger bereit, gehorsam zu sein, wenn die Angstkeule aus der Politik geschwungen wird.
Wie in einem ordentlichen Tsunami kommt nun die Rückwelle – diese ist übrigens gefährlicher als die hochaufgetürmte, alles niederschmetternde Wucht der ersten Welle, denn sie reißt durch ihren massiven Sog alles nieder, was noch stehengeblieben war. Damit dies nicht passiert, sind alle unsere Ressourcen an Kreativität und Lösungsorientierung gefragt. Wobei der Verstand – wie immer – ein Schüler des Herzens sein muss, damit wir nicht wieder in eine neue Angstverblödung verfallen.
Heike Egner, Ida Pfeiffer Professorin der Universität Wien, Sozionautin und Vorstandsmitglied des Universitäts.Club | Wissenschaftsverein Kärnten
2. Juni 2020